In dieser Wintersaison kam es zu mehr Skiverletzungen als in den Vorjahren. Warum ist das so? Dr. Volker Stoll, Chefarzt für Kniechirurgie und Sporttraumatologie an der Sportklinik Hellersen, sieht dafür gleich mehrere Gründe. Zudem erklärt er, wie Skiverletzungen behandelt werden.
Herr Dr. Stoll, warum kam es in der Wintersaison 2022/2023 zu mehr Skiverletzungen als in den Vorjahren?
Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Zum Beispiel haben sich die Bedingungen in den vergangenen Jahren sehr verändert. Wir laufen heute mehr auf Kunstschnee-Pisten. Bei der entsprechenden Wetterlage ist der Kunstschnee morgens häufig verharscht und eisig. Weniger erfahrene Skifahrer verlieren dann oft die Kontrolle. Da die Winter heute wärmer sind, ist es zudem so, dass der Kunstschnee nachmittags sulzig wird. Dadurch können Skifahrer nicht mehr so gut drehen. Wenn sie dann stürzen, kommt der Schuh aufgrund der Schneekonsistenz nicht immer sofort aus der Bindung – der Fuß ist jedoch fest im Schuh und deshalb verdrehen sie sich schnell das Knie. Und gerade in Ferienzeiten sind die Pisten voller, weshalb es schneller zu Unfällen, insbesondere Bagatellunfällen, kommt. Viele Menschen stehen gemeinsam am Lift, die Skier überkreuzen sich und schon bleibt der Skifahrer hängen, wenn er aus dem Sessellift aussteigen will.
Aber ein ganz entscheidender Grund, der grundsätzlich hinzukommt, ist die fehlende Vorbereitung auf den Skiurlaub. Mal abgesehen davon, dass durch die Coronapandemie viele längere Zeit nicht Ski gefahren sind, bereiten sich heute die wenigsten noch mit Skigymnastik auf den Winterurlaub vor. Dabei kann mit einem sportartspezifischen Training die nötige Muskulatur aufgebaut und damit gleichzeitig Skiunfällen vorgebeugt werden. Das gilt übrigens für so gut wie jede Sportart.
Zu welchen Skiverletzungen kommt es besonders häufig?
Da der Ski als Hebel am Fuß hängt und der Skischuh gleichzeitig fest am Fuß sitzt, kommt es beim Skifahren am häufigsten zu Knieverletzungen, insbesondere zu Verdrehtraumen. Und sehr häufig sind Kreuzbandverletzungen. Zum Beispiel reißt das vordere Kreuzband aufgrund der Drehung. Nicht selten gehen mit dem Kreuzbandriss auch Begleitverletzungen einher, wie zum Beispiel Verletzungen am Knorpel, am Meniskus oder Innen- sowie Außenband. Dann ist es sehr wichtig, dass die Begleiterkrankung ebenfalls behandelt wird, um das Kniegelenk lange zu erhalten. Und auch zu Muskelverletzungen kann es kommen – vor allem dann, wenn der Sportler sich nicht richtig aufgewärmt hat. Ausreichendes Aufwärmen vor dem Skifahren und das entsprechende Muskelaufbau- und Koordinationstraining schützen und stützen die Gelenke.
Wenn es zu einer Knieverletzung kommt, ist es zudem besonders wichtig, dass die Verletzung schnell behandelt wird, denn das Kniegelenk funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk. Ein Zahnrad greift in das andere und wenn ein Störfaktor da ist – zum Beispiel ein Band gerissen oder Knorpel beschädigt ist – dann läuft das Kniegelenk sozusagen aus dem Ruder und es kommt vorzeitig zu Verschleißerscheinungen.
Wie wird ein Kreuzbandriss behandelt und ab wann geht es wieder auf die Skier?
Wir haben uns in der Sportklinik Hellersen auf minimalinvasive Techniken spezialisiert, die dazu geeignet sind, die Strukturen schnell wieder zu rekonstruieren. Sowohl Knorpel als auch der Meniskus, das Kreuzband und die Seitenbänder können rekonstruiert werden. Ist zum Beispiel das Kreuzband gerissen, kommt eine Kreuzbandplastik zum Einsatz. Bei diesem Verfahren entnehmen wir eine Sehne aus dem Kniegelenk mittels eines minimalinvasiven Schnittes und ersetzen durch diese das Kreuzband. Das ist die gängigste Methode. Hierfür stehen mehrere Körpereigene Sehnen zur Verfügung. Am häufigsten wird die sogenannte Semitendinosussehne verwendet. Bei diesem Verfahren wird das Kreuzband durch eine Sehne, welche sich neben dem Kniegelenk befindet, ersetzt. Dieses erfolgt in einer minimalinvasiven Technik, sodass nur kleine Narben verbleiben und eine rasche Rehabilitation möglich ist. Immer häufiger werden bei Mehrfachverletzungen auch Spendersehnen implantiert.
Wie schnell der Patient wieder auf den Beinen ist, ist immer sehr individuell. Nach sechs Monaten kann der Patient meist mit einem sportartspezifischen Training beginnen. Kniebelastende Sportarten sollten erst nach neun bis zwölf Monaten wieder ausgeübt werden, wie zum Beispiel Fußball oder Tennis. Das gilt auch für das Skifahren. Die Saison ist dann zwar gelaufen, in der nächsten ist der Patient in der Regel jedoch wieder fit.
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